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„Zwischen Beuys und Banksy“

Isabel Pfeifer

Streit um die „M“-Apotheken in Sachsen-Anhalt

In Deutschland gibt es rund 19.000 Apotheken – teils mit langer Geschichte und Namenstradition. Doch wie passt eine „Mohren-Apotheke“ in unsere Zeit? In Sachsen-Anhalt will eine Online-Petition die Umbenennung erreichen.

Zu sehen ist die Mohren-Apotheke in Halle (Saale). Auch sie soll sich umbenennen.

Foto: Zu sehen ist die Mohren-Apotheke in Halle. Auch sie soll sich umbenennen.

Sonja Willert gehört eine dieser „M“-Apotheken mitten im Zentrum von Eisleben. Sie widerspricht gegen die Forderung der Petition: „Die Mohren-Apotheke ist die älteste Apotheke hier in Eisleben und heißt schon mehrere Jahrhunderte so. Und das soll auch so bleiben.“

Des Weiteren argumentiert sie: „Der Name Mohren-Apotheke ist Teil der Identität dieser Apotheke. Wir haben das hier auch mal diskutiert, denn ich finde das sehr wichtig, solche Dinge auch mal in Frage zu stellen. Aber an sich war die einhellige Meinung hier im Team und auch bei den Kunden, dass die halt so heißt. Und das ist mein Weg zu sagen, dass wir die Apotheke am Markt sind, wo der Luther auch als Denkmal steht. Das wollen wir aufgreifen. Und auf der anderen Seite ist eben die Mohren-Tradition, die wir auch gerne weitertragen möchten.“

Doch die Unterstützer der Online-Petition wollen den radikalen Bruch mit der Tradition und fordern, dass sich die Mohren-Apotheken umbenennen sollen. Rund 700 Unterschriften hat die Petition bisher. In der Erklärung heißt es, der Begriff sei „rassistisch und kolonialhistorisch geprägt. Er wird von Großteilen der Schwarzen Community in Deutschland abgelehnt. Außerdem wird er seit Jahrhunderten mit rassistischen Stereotypen assoziiert und überwiegend abwertend verwendet. Ihm haftet seit der Kolonialzeit eine diffamierende Konnotation an.“ In der Online-Petition wird das Wort „Mohr“ vermieden. Dort ist nur die Rede vom „M-Wort“. Man „zensiere das Wort, um keine rassistische Sprache zu reproduzieren“, heißt es.

Unbedingt im Gespräch bleiben

Soweit will der Politiker Karamba Diaby nicht gehen. Der Bundestagsabgeordnete stammt ursprünglich aus dem Senegal, das einst französische Kolonie war. „Ich persönlich würde das Wort aussprechen. Allerdings kenne ich viele, die sich damit dann beleidigt oder verunglimpft fühlen. In solch einem Fall sollte man das ernst nehmen und die Perspektive des Gegenüber berücksichtigen.“

Diaby selbst kommt in seiner Heimatstadt Halle regelmäßig an der dortigen Mohren-Apotheke vorbei. Und er weiß auch von Farbbeuteln, die gegen die Fassade geworfen werden. Deshalb wirbt er für den Dialog und einen offensiven Umgang mit der Vergangenheit.

„Die Ursprünge solcher Begrifflichkeiten sind bekannt. Man sollte versuchen, sie in den geschichtlichen Kontext zu platzieren. Und man sollte immer wieder Erklärungen dazu abgeben, was man damit meint. Und mit Menschen, die sich betroffen fühlen, sollte man dann auch ins Gespräch kommen.“

Das Wort und seine Konnotation

Wörter haben mitunter mehrere Bedeutungen, erklärt der Sprachforscher Beat Siebenhaar von der Universität Leipzig. Und manchmal können sich diese im Laufe der Zeit auch ändern. „Entsprechende Veränderungen finden wir ganz häufig. Dann nimmt ein Wort eine negative Bedeutung auf. Weil das in bestimmten Kontexten verwendet wird. Und dann setzt man einen anderen Begriff. Dann ist das Wort ‚Mohr‘ schlecht geworden. Das war ursprünglich einfach ein schwarzer Mensch.“

Der Historiker Manfred Hettling von der Universität Halle-Wittenberg macht zudem darauf aufmerksam, dass der Mohr gerade in Verbindung mit Apotheken für Gesundheit und eine besondere Heilkunst stehen würde. Er argumentiert: „Insofern finde ich die Bedeutung der Mohren-Apotheke relativ plausibel, da sie darauf verweist, dass man eine besondere Kenntnis hat über medizinisches Wissen, das mit dem Morgenland und den Arabern und den Sarazenen verbunden wird.“

Das Wort und die Deutungshoheit

Den Initiatoren der Petition „Das M-Wort muss weg“ geht es aber um weit mehr. Sie verbinden die Mohren-Diskussion mit der Machtfrage in der Gesellschaft und schreiben: „Es geht bei der Debatte um die Umbenennung […] vor allem um die Frage nach der Deutungshoheit: Wer hat in dieser Gesellschaft die Macht, Sprache mitzugestalten. Die weiße Mehrheitsgesellschaft befindet sich in einer privilegierten, dominierenden Position und das Festhalten an abwertenden Fremdbezeichnungen ist Repression.“

Der Historiker Manfred Hettling kennt diese Argumente. Er plädiert dennoch für einen gelassenen Umgang mit Wörtern, die heute als belastet gelten. „Man kann es so betrachten, dass wir unterschiedliche Bedeutungsschichten präsent halten müssen. Am Beispiel der Sprache gibt es sehr unterschiedliche Bedeutungen. Es gibt negative Konnotationen damit. Die sollte man aber nicht allein in den Vordergrund rücken. Ansonsten geraten wir in das Problem, dass wir Vergangenheit purifizieren wollen nach aktuellen Bedürfnissen. Und das ist fatal.“ 

Das stereotype Logo ist weg, der Name bleibt

Das Dilemma der Begrifflichkeit muss jeder für sich lösen. Doch vor allem gibt Apothekerin Sonja Willert zu bedenken, dass es hierbei doch um etwas ganz anderes gehen sollte.

„Ich würde das Ganze nicht so wichtig nehmen, wichtiger ist, was in der Apotheke drinnen passiert. Uns ist jeder Kunde recht. Egal, welcher Hautfarbe. Egal, ob groß, ob dick, ob dünn, ob klein. Egal, welche sexuelle Orientierung. Uns sind alle Kunden als Menschen wichtig. Und das finde ich, sollte im Fokus stehen und nicht der Name.“

Gleichwohl hat die Inhaberin der Mohren-Apotheke in Eisleben für sich inzwischen Konsequenzen gezogen. Die stereotype Mohren-Figur hat sie auf ihrer Internetseite ersetzt. Durch ein Bild von Luther, das an die Luther-Statue auf dem Markt erinnert. Den Namen „Mohren-Apotheke“ will sie aber beibehalten.

Den ganzen Beitrag zum Nachhören und -lesen findest du unter Deutschlandfunk Kultur

Liebe Grüße

Isabel (:

 

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